Ein Theaterstück von Barbara Hordych und Erhard Dietl
Eine Frau wartet an einer Bushaltstelle. Fast jeden Tag. Ein Mann wartet an einer Bushaltestelle. Fast jeden Tag. Was beide nicht wissen: Im Haus gegenüber wohnen ein Mann und eine Frau, die heimlich Fotos machen. Guido fotografiert jeden Tag zur gleichen Zeit die Frau, die er nicht kennt und die Lisa heißt. Und Agnes knipst den ihr unbekannten jungen Mann namens Victor. 11 Monate und 9 Tage lang geht das gut. Dann aber erfahren Lisa und Victor zufällig von den heimlichen Aufnahmen. Und sie beschließen, aus dem Bild herauszutreten.
Barbara Hordych und Erhard Dietl führen diese beiden Szenen parallel. Es wechseln die Personen, aber die Frage bleibt die gleiche: Ist uns der bloße Blick, der sich an ein Objekt haftet und es nach seinen Wünschen formt, schon lieber geworden als die körperliche Begegnung, die menschliche Auseinandersetzung? Guido und Agnes wollen ihre Fotomotive überhaupt nicht kennenlernen, sie sollen so unschuldig bleiben wie auf dem anonymen Bild, offen für jedwede Interpretation; Victor und Lisa fühlen sich zwar irgendwie missbraucht, können aber selbst nicht genau sagen, wodurch. Die Gespräche der beiden Paare bleiben voller Missverständnisse, die Projektion ist zerstört.
Im medialen Zeitalter glauben wir, all die Promis oder Royals schon beinahe zu kennen, so oft flirren ihre Bilder über die Bildschirme und flattern uns gedruckt ins Haus. Und auch wir selbst können jederzeit und überall eine Kamera zücken, einen Filter übers Bild legen und den Ausschnitt so wählen, dass wir wie eine Kunstfigur vom Selfie herunterlächeln. Bilder verlassen uns nicht, sie sind nie anders, als wir sie zeichnen, sie geben keine Widerworte, sie erfüllen jeden Traum. Wenn der reale Mensch aber plötzlich an der Tür klingelt, bekommt das Bild Risse.
Das Titelgebende Filmzitat „Irgendjemand wartet immer“ aus dem berühmten Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ ist in dieser Inszenierung Programm: Die modernen Westernhelden sind hier Künstler*innen, die statt mit Pistolen mit Fotoapparaten schiessen, die ihre Macht in Duellen daran messen, auf welchen medialen Plattformen sie ungefragt Bilder des anderen veröffentlichen werden, und deren Coolness nicht selbst gewählt sondern von ihrer emotionalen Unerreichbarkeit herrühren.
Mit Carina Bernrieder, Dionysus Opoku, Leon Sandner, Ricarda Verena Wimmer,
Regie und Dramaturgie: Livia Schoeler
Bühne: Sabine Burchard
Kostümbild: Sandra N. Cienkowski
Verlag: Chronos Theatertexte